Monday, April 8, 2013

Brauchen Wir Eigentlich Unternehmenswerte?




Im Barclays-Skandal ist mir etwas aufgefallen. Es war der Begriff: kulturelle Korruption. Ich bin so daran gewohnt, Details von komplexen, derivativen Themen zu überfliegen, dass mein Interesse geweckt wurde und ich mehr lesen wollte.
Als kulturelle Korruption wurde bezeichnet, dass Barclays eine "Einkünfte-um-jeden-Preis"-Strategie verfolgte, eine Kultur der Angst und Einschüchterung begünstigte, sich bewusst über die Einhaltung bankrechtlicher Vorschriften hinwegsetzte, über eine 'zerschlagene Kultur' präsidierte, in der Probleme ignoriert oder begraben wurden und letztendlich zuließ, dass das Unternehmen 'außer Kontrolle geriet'.

Schon allein dass das Betreiben einer Politik der Einkünfte um jeden Preis als korrupt hervorgehoben wurde, unterstreicht die Bedeutsamkeit von Unternehmenswerten. Wir alle müssen in gewissem Maße Einkünfte erzielen. Was letztendlich, wie bei Barclays" zum Desaster führt, ist das 'Um jeden Preis'.

Wenn ich den Menschen erkläre, dass meine Arbeit schwerpunktmäßig ausgerichtet ist auf Seminare über Visionen, Missionen & Werte, sagt man mir oft, wie naiv ich sei, und dass Konzerne letztendlich nur am Geld interessiert sind. Meine Argumentation ist, dass das "Nur" entfernt werden muss. Alle Unternehmen sind auf die eine oder andere Weise gewinnorientiert, aber ohne eine zumindest die Grundwerte umfassende Unternehmenskultur steuern sie auf Probleme zu.

Eine Kultur der Angst und Einschüchterung zu betreiben ist nicht Barclays-spezifisch. Über Jahre hinweg konnte ich mitansehen, dass so eine Politik in großen Organisationen bis hin zu kleineren, familiengeführten Geschäften weit verbreitet ist. In Workshops, Seminaren und Schulungsmaßnahmen war meine Sichtweise auf die Organisation oft wie durch eine rosarote Brille. Wenn sich ein Teilnehmer jedoch im sicheren Umfeld des Einzeltrainings befand, hörte ich nicht selten alarmierende Beispiele, wonach das Unternehmen die eigenen Grundsätze nicht lebte. Ich bekam auch fantastische Ideen zu hören, die aus Angst nie auf den Tisch kamen. Mitarbeiter haben Angst davor, den Job, Boni, Beförderungschancen zu verlieren und manchmal auch "Kleinigkeiten" wie Schichten, Ruhezeiten und Urlaubsgenehmigungen. Einschüchterung und Schikane beeinträchtigen zudem das Selbstwertgefühl und das Selbst­vertrauen und verunsichern die Menschen, so dass es eher unwahrscheinlich ist, dass sie für die Vorgesetzten eine Herausforderung darstellen. Diese Art der Resignation ist nicht nur eine bittere Enttäuschung für die Menschheit; sie wirkt sich auch destruktiv auf die Organisation aus und das nicht nur aus rechtlicher Sicht.
                                                                                 
Auffallend für mich ist, dass in unserer Einstellung zur Unternehmens­ethik einen Paradigmenwechsel stattfindet, wenn wir heute kulturelle Reformen an erster Stelle auf der Aufgabenliste stehen sehen.

Ich habe mal für eine Firma gearbeitet, bei der es meine Aufgabe war, in Workshops für neue Mitglieder im Managementteam die Führungsgrundsätze des Unternehmens zu vermitteln. Ich war beeindruckt. Beeindruckt, das heißt, bis mein Chef mir sagte, dass die Führungsgrundsätze 'in der Theorie gut sind, aber dass niemand sie anwendet'. Er sagte mir, dass es im Unternehmen wichtiger ist, was getan wird als wie es getan wird. Ich habe bald erkannt, dass ich mit den neuen Mitarbeiten genauso gut Sandmandalas hätte legen können und dass in Verbindung mit einer Angst- und Einschüchterungskultur meine offene Meinungsäußerung bedeutete, dass ich in dieser Firma zum Glück nicht lange überlebte. Diese Organisation hatte übrigens zwischenzeitlich eine sehr schlechte Presse, was den Umgang mit ihren Mitarbeitern anbelangt, sowie auch eine sehr hohe Personalfluktuation.

Trotz allem ist das Unternehmen weiterhin international äußerst erfolgreich. Und es ist wichtig, zu erwähnen, dass, soweit mir bekannt ist, keine Gaunereien bei der Firma laufen. Gleichwohl bedeutet das unter dem Strich: Wenn eine Firma keine Kultur pflegt, die auf Unternehmenswerte begründet ist, ist es nur eine Frage der Zeit bis die daraus entstehenden negativen Auswirkungen sie dazu zwingen wird, ihre Strategie zu überdenken. Hohe Fluktuation, schwache Arbeitsmoral und finanzielle Rückschläge sind der Preis für Doppelmoral in der Unternehmenskultur.

Also, nach welchen Werten sollen wir denn nun in unseren modernen Unternehmen leben? Wie wär's mit: Kommunikation, Respekt, Integrität und Exzellenz. Hört sich gut an? Vier unentbehrliche Werte, die die Achse eines jeden Unternehmens sein könnten. Doch halt, wir müssen diese Werte leben, nicht nennen. Denn das waren schließlich auch die Kernwerte, denen sich Enron verschrieben hatte!



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